Ist Abfall immer Müll? Im Gespräch mit Fabian Höffner, Co-Gründer vom Leipziger StartUp Trash Galore über die Eventbranche, nachhaltige Wiederverwendung und Socialentrepreneurship

Großveranstaltungen, Events und Messen sind, über das Jahr verteilt, mittlerweile im Übermaß in jeder größeren Stadt vertreten. Die werbewirksame Inszenierung von Unternehmen auf diesen Veranstaltungen ist oft mit sehr viel Equipment verbunden: Firmen schaffen einen vielfältig ausgestatteten Raum für ein ganzheitliches Kundenerlebnis. Sobald die Veranstaltung zu Ende geht und die letzten Besucher gegangen sind, bleibt vor allem eins übrig - Unmengen Müll. Allein in Leipzig fallen durch Messen und die Betreibung des Leipziger Messegeländes jährlich ca. 800 Tonnen Abfall an. Jedoch handelt es sich dabei nicht immer um Müll: Ein Großteil der für Messestände verwendeten Materialien und Dekorationen sind absolut dafür geeignet wiederverwendet zu werden. Eine Entsorgung erfolgt oft nur deshalb, weil es an Ideen für die Wiederverwendung mangelt oder leicht gebrauchte Gegenstände nicht mehr zum Marketingkonzept mancher Firmen passen.

Die Idee von Trash Galore

Die drei Leipziger Fabian Höffner, Lukas Binner und Anne-Sophie Müller haben das Projekt Trash Galore ins Leben gerufen. Ziel des Projektes ist die “Rettung” und Vermittlung von gebrauchtem Messe- und Veranstaltungs-Equipment an soziale Projekte. Hauptgründe dafür, dass so viele Materialien nach Veranstaltungen in der Tonne landen, sind laut Fabian zu hohe Lagerkosten und der Neuheitswert jeder Präsenz in der Öffentlichkeit. Das StartUp schafft damit eine alternative und vor allem nachhaltige Möglichkeit den scheinbaren Abfall einem sinnvollen Zweck zuzuführen.

Baumaterialien sind kein Abfall

Für die Weitergabe an Projekte eignen sich vielerlei Materialien, die in einer Liste hinterlegt sind. Dazu gehören Holz, Glas, Acryl, Folien, Kunststoffbauteile und Metall. Auf Grund der aktuellen Lagerkapazitäten konzentriert sich Trash Galore momentan auf Baumaterialien und nimmt dagegen Möbel seltener in das Repertoire auf. Was in den Fundus wandert, wird vorab auf Basis der Liste und der erwartbaren Materialien mit den Veranstaltern besprochen.

Die Abfallvermittler

Das Geschäftsmodell sieht vor, dass Trash Galore von den Unternehmen bzw. Veranstaltern als Dienstleister dafür bezahlt wird, die Baustoffe abzunehmen, wie es quasi auch ein Verwerter tun würde. Im Gegensatz zu einem Entsorger vermittelt Trash Galore dann die Materialien als Spende an soziale Projekte. Im Falle einer erfolgreichen Vermittlung wird ein CSR-Report erstellt, der Menge, Gewicht, den eingesparten CO2-Wert sowie das begünstigte soziale Projekt beinhaltet, der an die Veranstalter geht, um die Transparenz der Abläufe zu sichern und der ein nachhaltiges Mindset begünstigen soll. Veranstalter und Unternehmen haben darüber hinaus die Möglichkeit ein soziales Projekt zu bestimmen, an das die Spende gehen soll.

Die Anfänge von Trash Galore

Pilotprojekt des StartUps war die von der Frankfurter Messe initiierte Modemesse Neonyt in Berlin im Juli 2018, bei dem rund eine Tonne an Molton, Farbresten, Holzbalken und -latten, Holzfaserplatten, Kunststoffplanen, Malerzubehör und Teppich als Spende an soziale und gemeinnützige Initiativen ging. 2019 war dann die offizielle Gründung des Startups. Nach dem ersten erfolgreichen Projekt konkretisierten die drei Gründer ihr Geschäftsmodell und überzeugten bei einem Gründerpitch im Leipziger Social Impact Lab, was ihnen ein Stipendium und diverse Hilfe- bzw. Beratungsleistungen einbrachte.

Grundsätzlich war der Start zusammen mit dem Social Impact Lab eine gute Sache für ein sozial-orientiertes Unternehmen. Doch Fabian merkt auch an, dass es gerade für solche Gründungsideen grundsätzlich noch zu wenig Fördermöglichkeiten gibt. Einen großen Startkredit haben die drei nicht aufgenommen, da sich die Geschäftsidee fast von Beginn an zu großen Teilen selbst finanziert. Eine der bisher größten Ausgaben war die Anmietung eines Lagers, um Materialien einlagern zu können, die nicht direkt vermittelt wurden.

Eine besondere Ehrung hat das Unternehmen Ende 2019 erfahren, als der Business Punk Trash Galore als einen der 100 spannendsten StartUps ausgezeichnet hat.

Das Team von Trash Galore

Die Gründer des Leipziger StartUps sind alle Quereinsteiger. Fabian selbst hat Kommunikationswissenschaften studiert und im Bereich Online Marketing gearbeitet. Vor ein paar Jahren wechselte er dann in den Eventbereich. Anne kommt aus dem Bereich der Literaturwissenschaft und hat bereits Erfahrungen in der Veranstaltungsbranche gesammelt, durch die Initiierung eines kleinen Literaturfestivals. Lukas kommt direkt vom Messebau. Bei gemeinsamen Messejobs wurden die drei auf das massive Abfallproblem aufmerksam und so entwickelte sich die Idee, alternative Verwertungsmöglichkeiten zu entwickeln. Durch den gemeinsamen Bezug zur Kunst- und Kulturszene, entwickelte sich das Modell dahin, soziale Projekte, die fast immer mit zu kleinen Budgets auskommen müssen, mit den Materialien zu begünstigen. Auch ist allen dreien der Wunsch selbstständig zu arbeiten eigen, weswegen die Entscheidung sich mit der Abfallvermittlung zu verwirklichen, nicht schwer fiel.

Zum Team von Trash Galore gehören momentan vier Personen sowie ein Team von Handwerkern, dass vor Ort die Materialien demontiert und zum Bestimmungsort transportiert. Im Laufe des Jahres will sich das Unternehmen vergrößern.

Zukunftspläne und Aufklärungsarbeit

Für die Zukunft steht Einiges bei Trash Galore auf der To Do Liste. Das Unternehmen will lokale Kooperationen vermehrt vorantreiben und noch stärker als Partner für alternative Abfalllösungen auftreten. Dazu wird eine engere Zusammenarbeit mit verschiedenen Hochschulen, kulturellen Institutionen und Einrichtungen angestrebt aber auch stark abfallproduzierende Branchen wie die Fernsehbranche steht im Fokus.

Dauerthema von Anfang an und in Zukunft wird wahrscheinlich nach wie vor die Aufklärungsarbeit sein, dass Wertschöpfungsketten und Stoffkreisläufe wesentlich nachhaltiger gedacht werden können. Es ist nicht zeitgemäß, dass solch eine Verschwendung von völlig brauchbaren Materialien stattfindet und nur der Neuheitswert Entscheidungsgrundlage sein sollte. Gerade für mittellose kulturelle und soziale Projekte, die einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, ist ein Umdenken essenziell, ebenso natürlich auch für die Umwelt. Wie auch viele gemeinnützige Unternehmungen hat Trash Galore hier noch einige Hürden zu nehmen, da die Dienstleistung und Organisation mit Kosten verbunden ist. Die Vermittlungsdienstleistung mit nachhaltigem Zweck sollte nicht weniger geschätzt werden, schließlich entstehen auf dem herkömmlichen Wege der Abfallentsorgung ebenso Kosten, die die abfallverursachenden Unternehmen und Branchen ebenso tragen müssten.

Tipp für Gründer im Bereich Socialentrepreneur

Durchhaltevermögen! Im Vorfeld unterschätzt man den Aufwand und weiß oft nicht um alle Detailfragen, die auf einen zukommen. Ebenso hilfreich ist ein starkes Netzwerk und Ansprechpartner, die schon Erfahrungen in dem Bereich haben, in dem man aktiv werden will. Dem Aufwand gegenüber sollte man immer wertschätzen, dass man etwas mit Mehrwert nicht nur für sich selbst sondern auch für andere schafft. Die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit ist nicht zu unterschätzen, ebenso die persönliche Weiterentwicklung.

Nachgefragt bei Fabian Höffner, Co-Gründer von Trash Galore

Warum Leipzig?

Wir drei sind alle zugezogene Leipziger. Ich selbst komme aus der Nähe von München. Ich selbst habe mich sehr bewusst für Leipzig entschieden. Leipzig ist eine Stadt in der ich das Gefühl habe, dass man diese noch mitgestalten kann. Das Wachstum hier ist bemerkenswert und die Kultur besonders frei und offen.

Leipzig Geheimtipp?

Der Südfriedhof! Klingt erstmal eigenartig, aber dieser ist wirklich sehens- und empfehlenswert für einen Spaziergang.